Auf dem Weg zum Mann

Wie du als Teenager Schule, Emotionen und dein Leben meistern kannst

Blick ins Ebook

Autor

Fachpsychologe für Psychotherapie (FSP) Psychotherapeut für Integrative Körperpsychotherapie (IBP)

Klappentext

Im Alter von 13 bis 18 Jahren passieren viele Dinge mit dem männlichen Körper. Auch emotional scheint manches drunter und drüber zu gehen und in der Schule und im Elternhaus läuft ebenfalls nicht alles glatt. Dieser Ratgeber des Jugendberaters und Psychotherapeuten Karl Brühwiler gibt Antworten auf Fragen, die sich Teenager heute stellen - und das sind häufig ganz andere als noch in den Generationen zuvor, nicht zuletzt durch die digitalisierte Kommunikation. Auf Augenhöhe werden mit den Jugendlichen ihre Probleme ohne Scheuklappen angesprochen und konkrete Tipps für den alltäglichen Umgang damit gegeben.
  • ISBN: 9783746002583
  • 84 Seiten
  • Erschienen: Mai 2018
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Leseprobe - Kapitel 1: Männlichkeit

In der Pubertät werden die biologischen Unterschiede zwischen Mann und Frau auf der körperlichen und der psychischen Ebene immer deutlicher. Die Ausschüttung des Geschlechtshormons Testosteron sorgt bei Jungs für einen starken körperlichen Entwicklungsschub. Zudem wächst der Wunsch, Verantwortung zu übernehmen, sich mit anderen zu messen und «die Welt zu verändern». Viele Jungs entfalten in dieser Zeit so viel Kraft, dass sie kaum wissen, wohin damit. Die meisten dieser Jungs wollen als männlich und erwachsen betrachtet werden. Doch was macht Männlichkeit aus und was unterscheidet pubertäre Jungs von echten Kerlen? Die Gesellschaft zeichnet in Kunst, Literatur, Film und Werbung ein Bild von einem muskulösen, rauen, teilweise groben Mann, welcher wenig Emotionen zeigt und vor nichts und niemandem Angst hat. Gesellschaftlich herrscht die Vorstellung, man muss es sich verdienen, ein echter Mann zu sein, was in verschiedenen Redewendungen zum Ausdruck kommt („Verhalte dich wie ein Mann !“ oder „Bist du ein Mann oder eine Maus ?“)Viele junge Männer spüren den Druck, jederzeit stark und selbstbewusst sein zu müssen, da ihre Männlichkeit ansonsten schnell in Frage gestellt werden kann. Diese sehr oberflächliche, negative und unrealistische Vorstellung von Männlichkeit geht weit daran vorbei, was Männlichkeit ausmacht, und verunsichert viele –insbesondere junge Männer. Für mich persönlich hat Männlichkeit genau damit zu tun, eben nicht einfach blind einem Ideal nachzueifern und so sein zu wollen wie die anderen, sondern sich an seinen eigenen Werten und Gefühlen zu orientieren, starke, eigenständige Entscheidungen zu treffen und diese mit seinen Handlungen kraftvoll und verantwortungsvoll umzusetzen. Ja – und ein echter Kerl heult auch mal, wenn ihm alles zu viel wird, anstatt seine Gefühle hinter einem Berg aus Muskeln zu verstecken. Ein echter Mann hält sich nicht an das von der Gesellschaft vorgeschriebene Männerbild („Männer müssen stark sein“, „Männer weinen nicht“, „Echte Männer müssen Muskeln haben“ usw.), sondern findet seinen eigenen Weg, ein erfülltes, glückliches Leben zu führen. Die drei Grundbausteine, um als Mann den Weg zu sich selber zu finden, sind die Übernahme von Verantwortung, die Anerkennung der eigenen Aggression und die Entwicklung von eigenen Werten. Diese drei Bereiche werden im Folgenden genauer beschrieben.

Verantwortung - das Gefühl, etwas zu bewegen

Vor 10 000 Jahren hatten Jungs in deinem Alter viel mehr Verantwortung als heute. Mit dem Eintritt in die Pubertät, der damit verbundenen körperlichen Entwicklung und der Erreichung der Geschlechtsreife wurde man Mitglied unter den Männern des Dorfes, man hat Verantwortung für das eigene Umfeld übernommen, eine Familie gegründet und mit Jagen, kriegerischen Auseinandersetzungen und Arbeit zum Überleben der Gemeinschaft beigetragen. Heute übernehmen junge Männer weniger Fremdverantwortung als früher. Sie sitzen in der Schule und wälzen Schulbücher. Sie tun es nur für sich. Für das gesunde Erwachsenwerden von jungen Männern ist es zentral, dass Jugendliche Bereiche für sich entdecken, in denen sie sich als selbstbewusst, stark, wichtig und kompetent erleben können, und das Gefühl entwickeln, etwas zu ihrem sozialen Umfeld beitragen zu können. Manchen Jugendlichen gelingt dies relativ einfach, indem sie sich z.B. einem Sportverein anschließen. Für Jugendliche, welche mit Sport nicht viel anfangen können, wird es hingegen schwieriger. Oftmals versuchen sie ihr Bedürfnis, Verantwortung zu übernehmen und eine wichtige Person einer Gemeinschaft zu sein, durch das Spielen von Computerspielen umzusetzen. Aufseiten der Schule und der Eltern gibt es dafür aber meist nur geringe Akzeptanz, denn Online-Erfolge werden vom sozialen Umfeld dieser Jugendlichen wenig gewürdigt. Insgesamt würden viele junge Männer gerne mehr Verantwortung übernehmen, als sie tatsächlich können, und z.B. ihr eigenes Geld verdienen oder etwas zum Gemeinwohl beitragen. Jugendlichen fehlt es oft nicht an der Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, sondern vielmehr an der Zeit oder den Möglichkeiten dazu.

Gesunde Aggression - die männliche Kraft

Das Wort Aggression hat einen sehr negativen Beigeschmack. Viele Menschen bringen damit Brutalität, Gewalt und Egoismus in Verbindung. Doch eigentlich ist Aggression im Kernetwas Positives. Der Wortstamm von „Aggression“ kommt aus dem Lateinischen („aggredi“) und bedeutet so viel wie heranschreiten, fortschreiten oder angreifen. Biologisch betrachtet, steht die männliche Fähigkeit, etwas kraftvoll „an-zu-greifen“, sich durchzusetzen und seinen Weg zu bahnen, eng mit der Ausschüttung des Geschlechtshormons Testosteron in Verbindung, welches in der Pubertät bei Jungs vermehrt produziert wird. Die männliche aggressive Kraft hat sich über tausende von Jahren entwickelt und in der Evolution als „erfolgreich“ und überlebenswichtig herausgestellt. Funktionen männlicher Aggression waren früher z.B. der Schutz wichtiger Ressourcen wie Nahrung und Wasser oder die Verteidigung der eigenen Familie vor rivalisierenden Männchen. Auch heute noch ist männliche Aggressivität wichtig. Eine kontrollierte und zielgerichtete, gesunde Aggression ist hilfreich dafür, sich im Berufsleben und Privatleben zu positionieren, sich durchzusetzen, seine Ziele zu erreichen und dadurch ein positives Selbstwertgefühl aufzubauen. Gelingt es nicht, die eigene aggressive Kraft zu bändigen und sie entsprechend seinen Zielen und Werten einzusetzen, droht die jugendliche Kraft in eine ungesunde Aggression umzuschlagen, die sich darin zeigen kann, dass der Jugendliche gegen alles und jeden rebelliert, seine Kraft einfach an verschiedenen Orten „verpufft“ oder er sich auf Dinge im Leben konzentriert, die ihn nicht wirklich weiterbringen (z.B. extrem viel gamen oder kiffen). All das kann dazu führen, dass sich der Start in ein gesundes Erwachsenenleben verzögert oder gefährdet wird. Deshalb ist es umso wichtiger, sich als Jugendlicher seiner Kraft bewusst zu sein und sie zu lenken.

Werte - der innere Kompass

Fallbeispiel: Tim Tim (15) entscheidet sich dafür, das Gymnasium zu besuchen. Nach einem halben Jahr werden seine Noten immer schlechter und alle fragen sich, warum. Nach einem längeren Gespräch mit seinem Onkel wird Tim klar, dass es gar nicht seinen inneren Werten entspricht, auf das Gymnasium zu gehen und Medizin zu studieren, wie es sein Vater gemacht hat. Viel lieber möchte er handwerklich tätig sein und eine Schreinerlehre machen. Tim merkt, dass es ihm viel wichtiger ist, bei einer Tätigkeit Spaß zu haben, als etwas zu tun, was zwar vielleicht in zehn Jahren mehr Geld bringt, ihm aber nicht so richtig gefällt. Mit dieser Erkenntnis gelingt es Tim, sich voll und ganz auf die Lehrstel lensuche zu konzentrieren, und er startet voller Elan in eine Schreiner lehre. Es fällt ihm viel leichter, sich auf die Lehre zu konzentrieren, als dies im Gymnasium der Fall war, und die Entscheidung, das Gymnasium zugunsten einer Schreinerlehre abzubrechen, fühlt sich für ihn auch nach mehreren Monaten noch wirklich „richtig“ an.
Was ist dir wirklich wichtig im Leben ? Bist du eher der Typ, der sich um andere kümmert, oder ist es dir wichtiger, zuerst für dich selber zu schauen ? Ist dir ein hohes Einkommen wichtig oder eher eine interessante berufliche Tätigkeit ? Die Wertvorstellungen eines jeden Menschen sind unterschied lich und sie sind alle weder richtig noch falsch. In deinem Alter – in dem du die Wertvorstellungen deines Umfeldes vielleicht immer öfter hinterfragst – ist es sehr wichtig, sich seiner eigenen Werte bewusst zu sein. Nur wenn die Ziele, die du dir im Leben setzt, mit deinen Werten vereinbar sind, kannst du richtig viel Kraft dahinter bringen und diese Ziele auch erreichen. Deshalb sind eigene innere Wertvorstellungen ein wichtiger Kompass. Sie geben die Richtung vor, in welche du deine Kraft leiten kannst.

Welche Werte gibt es überhaupt?

Theoretisch gibt es ganz viele verschiedene Werte und jeder Mensch versteht etwas anderes darunter. Um das Konzept der Werte fassbarer zu machen, hat der Psychologe Shalom Schwartz in den 1990er Jahren die Theorie menschlicher Grundwerte entworfen. Diese Theorie beschränkt sich auf 10 menschliche Basiswerte, die im Folgenden anhand einiger Beispiele etwas vereinfacht erklärt werden.
  • Macht – Für Tom ist es das Wichtigste im Leben, die Macht zu haben, Gutes zu tun und Dinge zu beeinflussen. Deshalb möchte er Politiker werden.
  • Leistung – Seine Leistung auf dem Spielfeld abrufen zu können und jederzeit einsatzbereit zu sein, sind für den Fußballer Rick wichtige Grundwerte.
  • Genuss – Für Jake, der als Hoteltester arbeitet, ist der Spaß am Leben das Wichtigste überhaupt. Nichts ist für ihn schöner, als kostenlos in einem Luxushotel zu übernachten und tagsüber am Stand zu faulenzen.
  • Aufregung – Joe mag extreme Hobbys wie Klettern oder Fallschirmspringen. Beruflicher Erfolg oder Familie sind ihm weniger wichtig. Dafür ist er nicht so der Typ.
  • Selbstbestimmung – Paula lässt sich von niemandem dreinreden. Sie ist Künstlerin und macht ihre Bilder genau so, wie sie ihr gefallen.
  • Toleranz – Für Kai sind Toleranz und Naturschutz wichtige Werte. Wir sind für ihn alle „Gäste“ auf diesem Planeten und müssen lernen, uns entsprechend zu verhalten.
  • Gutherzigkeit – Clay ist ein Familienmensch. Nichts geht über die Familie. Clay würde alles tun, um seine Familie zu beschützen.
  • Tradition – Jenny findet es wichtig, die Traditionen in ihrem Dorf weiterzuführen. Deshalb hilf t sie auch, das Dorf fest mit zu organisieren, welches bereits seit über hundert Jahren stattfindet.
  • Anpassung – Adi legt großen Wert darauf, die Grenzen anderer Menschen nicht zu verletzten und niemandem „auf die Füße zu treten“. Leben und leben lassen ist für ihn ein wichtiger Leitsatz.
  • Sicherheit – Leo ist nicht der Typ, der in eine Bar geht und flirtet. Viel wichtiger als der schnelle Kick ist ihm die Sicherheit in seiner Beziehung zu Anna, welche nun schon zwei Jahre hält.

Was sind deine Werte?

Bist du einverstanden mit den verschiedenen Grundwerten, die in diesem Kapitel erläutert wurden? Hast du dir schon mal überlegt, welche Werte für dich in deinem Leben wirklich wichtig sind? Gibt es ganz besondere Werte in deinem Leben, die nicht in dieser Auflistung enthalten sind?

Quellen:

  • Vandello, J. A., & Bosson, J. K. (2012). Hard won and easily Lost: A Review and Synthesis of Theory and Research on Precarious Manhood. Psychology of Men & Masculinity, Vol. 14 (2).
  • Pollack, W. S. (2006). The War For Boys: Hearing Real Boys’ Voices, Healing Their Pain. Professional Psychology: Research and Practice, Vol. 37 (2).
  • Buss, D. & Shackelford, T. (1997). Human Aggression in Evolutionary Psychological Perspective. Clinical Psychological Review, Vol. 17 (6).
  • Leimbach, B. (2007). Männlichkeit leben – Die Stärkung des Maskulinen. Ellert & Richter Verlag.
  • Die Grundwerte nach Schwartz werden, etwas vereinfacht, dargestellt und erklärt in: Schmidt, P. et al. (2007). Die Messung von Werten mit dem „Portraits Value Questionnaire“. Zeitschrift für Sozialpsychologie, Vol. 38 (4).