Verschiedene Games / verschiedene Gamer – Fakten und Überlegungen zum Onlinesuchtverhalten Jugendlicher

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unterschiedliche games

Gibt es Spiele, die besonders süchtig machen? Natürlich gibt es Spiele, die häufiger von onlinesüchtigen Jugendlichen gespielt werden als Andere. Aber der Schluss, dass gewisse Spiele auch für die Sucht dieser Jugendlichen verantwortlich sind, wäre zu einfach.


Wie viele Jugendliche gamen?

66 Prozent der deutschschweizer Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren sind Gamer (JAMES-Studie 2014). Jungs spielen deutlich mehr Videospiele als Mädchen (welche dafür in den Sozialen Netzwerken die Nase vorn haben). Die beliebtesten Spiele sind Ego-Shooter (24 Prozent) gefolgt von Action-Adventures (wie z.B. Grand Theft Auto) und Sportspielen (wie z.B. FIFA). Eher selten sind Onlinerollenspiele (ca. 4 Prozent). Eine etwas ältere Studie aus Deutschland (Rehbein 2009) zeigt ähnliche Ergebnisse.

Bei 7.8 Prozent der 15-34 Jährigen, deren Hauptaktivität im Internet Onlinespiele sind, haben einen sog. „Problematischen Gebrauch“  (Bericht Suchtmonitoring Internet 2015). In eine ähnliche Richtung geht auch die Studie von Rehbein (2009), der 4.7 Prozent der Jungs und 2.8 Prozent der Mädchen im Jugendalter als Suchtgefährdet klassifizierte. Nach Rehbein spielen 10 Prozent der Gamer im Jugendalter exzessiv (d.h. mehr als 4.5h/Tag).


Welche Spiele werden von „süchtigen“ Jugendlichen gespielt?

In meinem Berufsalltag erlebe ich, dass Spieler, die vorwiegend Online-Rollenspiele (sog. MMORPG’s wie „World of Warcraft“, „Guildwars“, „Final Fantasy Online“ oder „The Elder Scrolls Online“) und Multiplayer-Online-Battle-Arena Spielen (sog. „MOBA’s“ wie z.B. „League of Legends“, „Defender of the Ancients 2“, „Heroes of the Storm“) häufig Suchtsymptome zeigen. Die Studie von Rehbein (2009) identifiziert „World of Warcraft“ und „Guildwars“ (MMORPG’s) als diejenigen Spiele, die den höchsten Anteil an süchtigen oder suchtgefährdeten Spielern aufweisen (insgesamt ca. 20 Prozent der untersuchten User!). Zu den MOBA Spielen gibt es noch wenige Erkenntnisse aus der Forschung, da sich diese erst in den letzten Jahren so richtig etabliert haben.

Eher selten erlebe ich Jugendliche mit Suchtsymptomatik die Sportspiele spielen (wie z.B. „FIFA“ oder „NHL“). Auch der Anteil an Jugendlichen, die Ego-Shooter und Action-Adventures (z.B. Battlefield, Call of Duty oder Grand Theft Auto) spielen und Suchtsymptome zeigen, ist im Anbetracht der grossen Verbreitung dieser Spiele eher gering. Die Symptome der Spieler dieser Games scheinen mir in der Behandlung auch weniger „zäh“ im Vergleich zur Gruppe der Jugendlichen, die vorwiegend Onlinerollenspiele oder MOBA’s spielen. Oft sind es auch „nur“ exzessive Phasen, die sich selbstständig wieder legen.


Was heisst das jetzt? Sind Sportspiele harmloser als Onlinerollenspiele?

Nein so kann man das nicht direkt sagen. Auch wenn der Anteil an Jugendlichen, die exzessiv spielen bei den besagten Spielen mit 20 Prozent deutlich höher ist als bei anderen Spielen – 80 Prozent der Gamer haben den Umgang damit im Griff. Die Beobachtung, dass Onlinerollenspiele oder MOBA’s oft von Jugendlichen gespielt werden, die Suchtsymptome zeigen, ist kein Beweis dafür, dass die besagten Spiele auch tatsächlich (am) süchtig(sten) machen.

Ebenso plausibel ist es, dass sich ohnehin suchtgefährdete Jugendliche einfach stark zu diesen Spielen hingezogen fühlen. Einsame Jugendliche finden in diesen Spielen ein soziales Netzwerk und eine tiefe, fantastische Welt, in die sie eintauchen können. Je mehr sie spielen, desto höher wird ihr sozialer Status innerhalb des Spiels (den sie offline unter Umständen nicht haben). Jugendliche, die eher schüchtern und unsicher sind und denen es im realen Leben schwer fällt, Kontakte zu knüpfen, finden online besser Anschluss.


Ist das nun gut oder schlecht?

Eigentlich ist es doch toll, dass  Jugendliche sich online akzeptiert und mächtig fühlen können. Eigentlich ist es ein Segen, dass belastete oder einsame Jugendliche die Möglichkeit haben, auf Knopfdruck in eine ganz andere, fantasievolle Welt abzutauchen (ich habe mir auch schon gedacht: Bei diesem Jugendlichen bin ich echt froh, kann er sich ablenken von seinen Belastungen).

Kritisch wird es aber dann, wenn das Gamen die Entwicklungsaufgaben eines Jugendlichen verhindert oder verzögert und der Jugendliche sich die Prioritäten vom Offline-Leben ins Online-Leben verschieben. Deshalb sollte es für Eltern viel weniger ausschlaggebend sein, welches Spiel ihr Jugendlicher spielt, sondern ob sich der Jugendliche seinen Problemen und Entwicklungsaufgaben im Real Life stellt und Selbstverantwortung übernimmt. Egal welche Games zuhause  gespielt werden – wichtig ist, dass das Umfeld genau hinschaut um ein allfälliges Suchtverhalten frühzeitig zu erkennen.


Quellen:

JAMES-Studie 2014

Rehbein 2009

Suchtmonitoring Internet 2015