Digitaler Babysitter – worauf Eltern achten sollten

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digitales babysitten - kleiner Junge mit Tablet

Liam (4) quängelt heute schon wieder den ganzen Morgen. Priska (35) ist genervt. Nie ist Liam zufrieden. Dieser kleine Racker bringt sie manchmal echt an ihre Grenzen. Selbst ein Spaziergang und ein Schokoladenriegel haben die Laune ihres Sohnes nicht verbessert. Dabei sollte doch Priska heute noch die Wäsche machen, staubsaugen, einkaufen gehen und kochen. Entnervt setzt Priska Liam an den Tisch vors Tablet und wählt auf Youtube ein Kinderlied in der Endlosschlaufe. Liam grinst über beide Ohren, wirft Mama ein Küsschen zu und versinkt nur momente später im Video. „Dieser kleine Charmeur… wenn er nur nicht so süss wäre… Ganz der Papa!“. Priska ist erleichtert und kann nun endlich die Wäsche machen, doch ein mulmiges Gefühl bleibt in ihr zurück.


Der Digitale Babysitter – alle profitieren (scheinbar)

Auf den ersten Blick ist die Lösung für das Problem von Priska und Liam eine Win-win-Situation. Beide haben gewonnen. Liam hat keine Langeweile mehr und Priska kann sich endlich um den Haushalt kümmern. So geht es vielen Eltern mit ihren Kindern. Doch gegen Aussen sprechen Eltern selten darüber, wie oft und in welchen Situationen sie ihre Kinder dem digitalen Babysitter übergeben. Eltern fürchten sich vor Reaktionen wie „das kannst Du doch nicht machen“ und „Dein Kind verblödet ja von so viel Youtube„. Im Folgenden Artikel möchte ich einige Infos darüber geben, wie Eltern mit diesem Thema umgehen können.


Digitales Babysitten- Forschung

Ein hoher Medienkonsum im Kleinkindalter scheint mit der Fähigkeit eines Kindes, sich selber zu regulieren, im Zusammenhang zu stehen. Radesky et. al. (2014) fanden in einer grossangelegten Studie mit 7450 Kleinkindern heraus, dass Kleinkinder mit höherer Bildschirmzeit einen schlechteren Schlaf, eine verringerte Aufmerksamkeit so wie eine geringere Fähigkeit besassen, ihre Emotionen selber zu regulieren, als Kinder mit einer tieferem Medienkonsum.

Die Resultate sind wenig überraschend. Denn Kinder müssen lernen, mit Langeweile und Frust umzugehen. Nur so können sie später ihre Emotionen auch selbstständig regulieren. Diese wichtige Lernaufgabe sollte man den Kindern nicht vorenthalten. Denn schliesslich entstehen aus vermeindlich negativen Gefühlen wie Frust und Langeweile oftmals Kreativität und gute Ideen. Eltern müssen wissen, dass es nicht „falsch“ ist, wenn es ihrem Kind mal langweilig ist. Im Gegenteil – für die Entwicklung des Kindes ist Langeweile sogar gesund.

Früher gab es die Vorstellung, dass Kindersendungen sogar gesund für Kinder seien. Mir sind keine Forschungsarbeiten bekannt, die dies bestätigen würden. Kinder lernen viel mehr aktiv im Kontakt miteinander und mit Erwachsenen als passiv vor dem Bildschirm.


Bildschirm ist nicht gleich Bildschirm

Auch spielt es eine grosse Rolle, was denn Kinder am Bildschirm überhaupt machen. Sind sie Konsumenten und verhalten sie sich am Bildschirm passiv oder sind sie Produzenten und können kreativ sein? Anders gefragt: Was spricht dagegen, das Kind auf dem Tablet mit einem Malprogramm malen zu lassen? Schliesslich wollen Eltern auch nicht jeden Tag die Fingerfarben von den Möbeln wischen.


Tipps für Eltern:

  • Aufgepasst: Drei Klicks auf Youtube reichen aus, um auf verstörende, für Kinder nicht geeignete Videos zu gelangen. Seien Sie wachsam, welche Inhalte Ihr Kind schaut.
  • Halten Sie es mit Medien wie mit Süssigkeiten. Nicht jeden Tag und auch nicht zu viel.
  • Ein Kind mit Medien zufrieden zu stellen kann eine legitime Strategie sein – wenn sie bewusst und selten eingesetzt wird. Zum Beispiel ist es nicht verkehrt, wenn Kinder auf einer langen Reise mit dem Auto mal einen Film ansehen.
  • Akzeptieren Sie, dass es nichts schlimmes ist, wenn ein Kind mal frustriert und gelangweilt ist. Es ist nicht nötig, diese Langeweile gleich mit Medien „wegzumachen“.
  • Wenn Sie nervlich am Ende sind: Besser das Kind mal kurz dem digitalen Babysitter übergeben als anschreihen o.ä.

Literaturtipp:  Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen. Über die Auswirkungen neuer Medien auf Kinder. Ein sehr interessanter Blickwinkel.

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