„Ich zieh Dir gleich den Stecker!“ – Ein typischer Online-Game-Konflikt zwischen Kind und Eltern

1054
Jugendlicher am PC

Kai (15) kommt gerade von der Schule nach Hause. Er setzt sich an seinen PC und spielt eine Runde LoL. Sein Team scheint kurz davor zu sein, die fünf Gegner in die Knie zu zwingen, da steht auf einmal Mama hinter ihm und ermahnt ihn, zum Abendessen zu kommen. Kai reagiert aggressiv: „nicht jetzt, ich bin gerade in einem Spiel!“, worauf Mama ihm zähneknirschend noch 10 Minuten Zeit gibt. Nach 10 Minuten zieht der Vater den Stecker und die Situation eskaliert…


Immer wieder habe ich mit Jugendlichen zu tun, die sogenannte „MOBA’s“ spielen. Dabei handelt es sich um ein relativ neues Spielegenre, das sich erst in den letzten 3-4 Jahren so richtig etabliert hat. Jeder Spieler kann zu Beginn einen „Helden“ wählen. Es geht darum, in (typischerweise) Fünferteams gegeneinander anzutreten und die gegnerische Basis zu zerstören. „MOBA“ heisst „Multiplayer Online Battle Arena“. Typische Vertreter sind LoL (League of Legends), DotA2 (Defender of the Ancients 2) und HotS (Heart of the Storm) (mehr Infos finden sich z.B. in diesem Artikel über MOBA’s).

Was mich immer wieder fasziniert, ist das Fachwissen, welches sich Jugendliche aneignen, um erfolgreiche Spieler zu werden. Es fällt ihnen offenbar viel leichter, die Namen, Aussehen und Fähigkeiten von 150 „Helden“ zu lernen, als 30 Wörter für die Französischprüfung von nächster Woche.

Diese hochkomplexen Spiele sehen von Aussen oft wie ein wildes Hickhack aus. Eltern unterschätzen die Fähigkeiten, die es braucht, um in einem solchen Match bestehen zu können. Fachwissen, schnelle Reaktionsfähigkeit, Augen-Hand-Koordination, Konzentration, mentale Stärke und Siegeswillen. So prallen zwei Welten aufeinander. Eltern verstehen nicht, warum ihre Jugendliche derart viel Zeit und Energie in solche Onlinespiele investieren und Jugendliche haben es längst aufgegeben, ihren Eltern zu erklären, um was es eigentlich genau im Spiel geht.

Zum Zeitpunkt wo Papa den Stecker zieht, ist Kai auf hirnphysiologischer Ebene immer noch mitten im Spiel (und zwar im „Kampfmodus„) und es wird aller Wahrscheinlichkeit nach seinen Kampf vom Spiel ins Wohnzimmer verlagern (die neuen Gegner heissen: „Eltern“). Zudem gerät er seinen Onlinefreunden gegenüber in eine unangenehme Situation. Mit hoher Wahrscheinlichkeit hat sein Team das gewonnen geglaubte Match noch verloren. Er befürchtet, als „Leaver“ oder „Quitter“ bezeichnet zu werden.


Ratschläge, um Online-Game-Konflikte zu entschärfen

  • Alle Seiten Runterkühlen lassen: Lassen Sie sich nicht auf einen destruktiven Konflikt ein. Verschieben Sie das Gespräch wenn nötig auf später.
  • Essenszeiten und Verpflichtungen frühzeitig kommunizieren, um Konflikte zu vermeiden.
  • Eltern müssen verstehen, dass ihr Jugendlicher online unter Druck geraten kann, wenn er das Spiel einfach so verlässt.
  • Stecker ziehen soll die letzte Lösung sein. Machen Sie Ihrem Jugendlichen im Vorhinein genau klar, unter welchen Umständen Sie den Stecker ziehen werden. Versuchen Sie für den Jugendlichen so berechenbar wie möglich zu sein.
  • Nehmen Sie Ihren Jugendlichen in die Pflicht: Wenn er ungestört spielen will, müssen die Pflichten (Hausaufgaben, Abwasch etc.) vorher erledigt werden.
  • Versuchen Sie die Spiele, die Ihr Kind spielt zu verstehen. Ihr Kind wird Sie ernster nehmen, wenn es Ihr Interesse spürt und wenn Sie die Games nicht im Vorhinein verurteilen.

 

 

Gefällt Ihnen dieser Artikel?